Die Postbeamten der Titanic

von Thorsten Totzke

Einen Tag vor der Abfahrt der Titanic, am 09. April 1912, besahen sich einige Herren der Post die Titanic um beschwerden der Postbeamten an Bord der Olympic nachzugehen.

Postmeister James, Commander Foakes und Mr. Parsons sahen sich die Unterbringung der Postbeamten auf der Titanic an.

Die Kabinen befanden sich auf dem F Deck direkt neben der Squash-Halle. Direkt unter den Kabinen auf dem G Deck befand sich der Sortierraum und noch eine Etage tiefer war das Postlager.

Die Herren stellten nach ihrem Besuch fest:

"Mr. March und Mr. Gwynn von der amerikanischen Post und Mr. Rabley von der britischen Post waren an Bord. Sie hatten eine Reihe von Beanstandungen, die Schlaf- und Essräume betreffend. Einige davon müssen nicht ernst genommen werden und können unberücksichtigt bleiben. Ihre Klage darüber dass ihre Schlafräume in sehr lauter Umgebung liegen sollte jedoch der Reederei vorgetragen werden. Ihre Schlafräume liegen in einem Block von Kabinen der dritten Klasse, und es muss angenommen werden, dass die Passagiere, die zum größten Teil Europäer der Unterschicht sein werden, sich zu Zeiten während der Nachtstunden laut unterhalten oder sogar singen und auf Musikinstrumenten spielen werden. außerdem gibt es eine Tür in der Nähe, die von den Zwischendeckspassagieren häufig benutzt wird und deren zuschlagen die Postangestellten in der Nacht stören wird. Diese Angaben gründen sich auf den Erfahrungen, die sie auf der Olympic gemacht haben, wo ihre Kabinen am selben Ort lagen. Wenn sie tagsüber zügig und gut arbeiten sollen, ist es nötig, dass sie nachts ungestört schlafen. Außerdem beklagen sie sich über ihren Essraum und wollen bei den Passagieren essen; ich denke jedoch, der vorgesehene Raum genügt und keine Veränderungen sind nötig. Es sollte jedoch vorgeschlagen werden, dass der Durchgang zum Essraum für die Diener und Dienstmädchen der Passagiere mit einer Tür versehen wird. So kann vermieden werden, dass wie derzeit alle durch den Essraum der Postangestellten gehen. Was Größe und Ausstattung betrifft, ist die Unterbringung besser als die auf allen anderen britischen Schiffen im Atlantikverkehr, die ein Büro der Seepost an Bord haben.“

Am 13 April wurde das White Star Büro in Liverpool über die Sachelage informiert.

Die Postangestellten auf der Olympic bezogen bald darauf bessere Kabinen auf dem E-Deck; für diejenigen die auf der Titanic mitgefahren waren, kam diese Neuerung jedoch zu spät.

Auf der Titanic wurden 5 Postbeamte eingesetzt. Drei von ihnen waren von der Amerikanischen Post und zwei der Beamte waren der britischen Post. John Richard Jago Smith wurde 1877 in Village of Lanarth in der Nähe von St Keverne, Cornwall in England geboren.

Seine Eltern John und Mary Smith waren Farmer. Jago, wie er mit Vornamen genannt wurde hatte noch drei Geschwister Susan, Elena und James.

Er fing in den frühen Jahren des Jahrhunderts als Angestellter bei der Post an und arbeitete in einem Postamt in Southampton bevor er anfing auf Schiffen zu arbeiten.

Über seinen Kollegen James Bertram Williamson ist nicht soviel bekannt.

Er wurde ebenfalls 1877 geboren, war alleinstehend und lebte in der Botanic Road in Dublin, England.

Der älteste Postbeamte an Bord war der Amerikaner John Starr March. Er wurde im Oktober 1861 geboren und war 50 Jahre alt. Er lebte zusammen mit Nettie, seiner jüngsten Tochter in der Emmet Street in Newark, New Jersey, USA.

Er war Witwer seit seine Frau Elizabeth im Juni 1911 während einer Operation starb.

Bevor March ungefähr 1904 zur Seefahrt kam fuhr er als Postbeamter bei der Eisenbahn.

In den 8 Jahren die er als Postbeamter zur See fuhr soll er nach zeitgenössischen Berichten mindestens acht Unfälle miterlebt haben.

In diesen Jahren war er unter anderem auch auf der Kaiser Wilhelm der Grosse und der Olympic, dem Schwesterschiff der Titanic eingesetzt.

Nach dem Tot ihrer Mutter baten seine beiden erwachsenen Töchter ihn sich doch innerhalb der Post eine sichere Stelle an Land zu suchen.

Besonders nachdem er zum Zeitpunkt des Todes seiner Frau auf See war.

Aber John March war Seemann durch und durch. Er liebte die See so sehr das er den Posten nicht aufgeben wollte und seinen Töchtern versprach das er niemals im Meer ertrinken würde.

William Logan Gwynn war 37 Jahre alt und eigentlich sollte er mit der Philadelphia der American Line nach New York fahren.

Nachdem er jedoch erfahren hatte das seine Frau erkrankt war ließ er sich versetzen und gelangte so auf die Titanic.

Der Fünfte in der Gruppe war Oscar Scott Woody.

Woody wurde am 15.04.1868 geboren und lebte mit seiner Frau in Clifton Springs, Fairfax County, Virginia, USA. Woody wurde am 01. April auf die Kaiser Wilhelm der Grosse des Norddeutschen Lloyd beordert die von New York über Plymouth und Cherbourg nach Bremen fuhr.

In Plymouth verließ er die Kaiser Wilhelm der Grosse und begab sich gemäß seinen Anweisungen nach Southampton von wo er am 10. April mit der Titanic nach New York zurückkehren sollte.

Am frühen Morgen des 10. April gab es für die fünf Postbeamten auf der Titanic eine Menge Arbeit.

Es wurden 1758 Postsäcke geladen die nun erstmal verstaut werden mussten bevor mit dem sortieren begonnen werden konnte.

Man kann davon ausgehen das die fünf Männer nicht viel davon mitbekommen haben was den ganzen Vormittag über an Bord passierte.

Um 8.00 Uhr wurde die Mannschaft gemustert und eine kleine Rettungsbootübung abgehalten bei der die beiden Steuerbordboote 11 und 15 mit einer handvoll Besatzungsmitglieder besetzt wurden und abgefiert wurden. Die Passagiere begaben sich an Bord, wobei die dritte Klasse Passagiere sich vorher noch einer Untersuchung unterziehen mussten.

Nachdem die Passagiere der zweiten und dritten Klasse an Bord waren traf um 11.30 Uhr auch der Sonderzug mit den Passagieren der ersten Klasse aus London bei der Titanic ein und auch die erste Klasse Passagiere begaben sich an Bord des riesigen Liners.

Pünktlich um 12 Uhr legte die Titanic schließlich ab um ihre Jungfernfahrt nach New York mit Zwischenstops in Cherbourg (Frankreich) und Queenstown (Irland) zu beginnen. Gegen 18.30 traf die Titanic schließlich in Cherbourg ein wo sie auf der Reede vor Anker ging da das Hafenbecken nicht Tief genug war das so riesige Liner direkt anlegen konnten.

Nun wurden mit zwei Tenderschiffen, der Nomadic und der Traffic, Passagiere und Post zur Titanic gebracht. Die Nomadic beförderte insgesamt 172 Passagiere der ersten Klasse und 30 Passagiere der zweiten Klasse zur Titanic während der kleineren Traffic die Aufgabe zuviel die Passagiere der dritten Klasse und die Post zum Schiff zu bringen.

Nun bekamen die fünf Postbeamten im Bauch des Riesenschiffes noch einmal 1412 Postsäcke mit der Post aus Frankreich und wieder musste alles ordentlich verstaut werden.

Gegen 20 Uhr ist auch dieses Rendezvous beendet und die Titanic lichtet die Anker um Queenstwon in Irland, ihren letzten Hafen vor der Atlantiküberquerung anzulaufen.

Am nächsten Morgen um 11.30 Uhr trifft sie dort ein und übernimmt zum letzten mal Passagiere. Auch hier bekommen die Postbeamten noch einmal 194 Säcke Post geliefert so das sie nun insgesamt 3364 Säcke mit Post an Bord haben.

Nachdem die Titanic um 13.30 Uhr zum letzten mal ihren Anker gelichtet hat und nun Kurs auf ihren Zielhafen New York steuert, stellt sich bei den Postbeamten langsam die Routine ein.

Nachdem alle Säcke die von ihnen nicht bearbeitet werden mussten in einer Ecke aufgestapelt waren begannen sie mit der dem Sortieren der Briefe.

Die Tage an Bord vergingen die Postbeamten fleißig ihre Post sortierten und regelmäßig die Postkästen die an verschiedenen Stellen des Schiffes aufgestellt waren leerten.

Die Titanic legt bis zur Mittagszeit des 12. April 484 Meilen zurück. Bis zur nächsten Mittagszeit waren es 519 Meilen und am Sonntag dem 14 April um 12.00 Uhr wurden 546 Meilen errechnet.

Der Sonntag begann sehr ruhig. Es gab einen Gottesdienst für die Passagiere im Speisesaal der ersten Klasse den Kapitän Smith persönlich abhielt. Dazu spielten die Bordmusiker unter der Leitung von Wallace Hartley.

Die Titanic dampfte mit knapp 23 1/2 Knoten durch die Nacht. Auf der Brücke hatte von 18 Uhr an der zweite Offizier Charles Herbert Lightoller Dienst.

Im Laufe des Tages waren einige Eisbergwarnungen von anderen Schiffen eingetroffen und am Abend war die Wassertemperatur stark gefallen.

Es ist 23:40 Uhr als Frederick Fleet voraus eine dunkle Masse entdeckt und sofort zur Glocke greift und durch 3 Glockenschläge "Gefahr direkt voraus" signalisiert.

Die Titanic kollidierte mit dem Eisberg der ihr auf der Steuerbordseite auf einer Länge von 90 Metern eine Reihe von Löchern unterhalb der Wasseroberfläche zufügte.

Kapitän Smith schickte nun den 4. Offizier Joseph Growes Boxhall los um nach Schäden zu suchen. Boxhall inspizierte alle Passagierdecks im Bug, konnte jedoch keinen Schaden feststellen. Nachdem Boxhall zur Brücke zurückgekehrt war und gemeldet hatte das er keine Schäden feststellen konnte schickte Der Kapitän ihn los mit dem Auftrag den Schiffszimmermann zu suchen und ihm aufzutragen eine komplette Inspektion vorzunehmen.

Der Zimmermann kam Boxhall bereits entgegen und teilte ihm mit "Sie macht stark Wasser". Boxhall schickte ihn zur Brücke und begab sich nun selbst tiefer in den Bauch des Schiffes.

Im Postraum wussten die fünf Postbeamten hingegen sofort das etwas nicht stimmte. Das Postlager auf dem Orlop Deck lag direkt im Kollisionsbereich.

Sofort strömte hier das Wasser herein und die Männer begangen damit eiligst zumindest die 200 Säcke mit eingeschriebener Post ein Deck höher in den Sortierraum zu schaffen.

Aber bereits nach wenigen Minuten war der Raum geflutet.

Jago Smith verließ nun seine Kameraden und berichtete dem 4. Offizier Boxhall von dem Wasser.

Boxhall schickte ihn auf die Brücke wo er Kapitän Smith Meldung machen sollte während Boxhall seine Inspektion fortsetzte.

Nachdem Jago Smith seinen Bericht beim Kapitän abgegeben hatte kehrte er zu seinen Kameraden zurück.

Der Sortierraum stand bereits 2 Fuß unter Wasser als er wieder bei ihnen eintraf.

Wenige Minuten später war auch der Sortierraum geflutet und die Postbeamten konnten nichts mehr tun um die Post zu retten.

Die Offiziere beginnen mit dem besetzen und abfieren der Rettungsboote während das Wasser immer weiter steigt. Ein Boot nach dem anderen wird abgefiert oft nur mit wenigen Personen besetzt weil einige Offiziere Angst hatten das die vollbesetzten Boote auf ihrem weg vom Bootsdeck bis zur Wasseroberfläche durchbrechen könnten

Auf dem Bootsdeck wurde auch der Postbeamte William Logan Gwynn zuletzt gesehen.

Er stand dort zusammen mit dem Zahlmeister Hugh Walter McElroy.

Es war 2:20 Uhr morgens als die Titanic, das größte Schiff der Welt, in den eisigen Fluten des Nordatlantik versank.

1496 Menschen fanden bei dieser Katastrophe den Tot.

Auch die fünf Postbeamte der Titanic fanden allesamt den Tot im eisigen Atlantik.

Lediglich die Leichen von John Star March und Oscar Scott Woody wurden gefunden.

Bei John March fand man neben seiner Goldenen Uhr auch noch einen goldenen Ring mit einem M.

Die Nachfahren besitzen diese Gegenstände noch heute.

Der Leichnam wurde am 3. Mai 1912 von der Firma Smith & Smith nach Newark, New Jersey überführt.

Oscar Scott Woody wurde gefunden und Identifiziert. Bei ihm fand man auch einige Umschläge in denen die Post für verschiedene Städte in Amerika einsortiert wurden und die mit einem Bordstempel der Titanic und dem Namens von Woody gestempelt waren.

Oscar Scott Woody starb an seinem 44. Geburtstag und sein Leichnam wurde am 24. April 1912 auf See bestattet.

Am 05.Mai 1912 besuchten alle Mitarbeiter der Post in Southampton einen Gedenkgottesdienst in der St Peters Church in Southampton im Gedächtnis an ihre Kollegen, welche bis in den Tod ihre Pflicht getan haben.

Heute erinnern noch eine Plakette im Crown Post Office in der High Street in Southampton und eine Plakette im National Post Museum im Smithsonian Institut in Washington an die fünf Postbeamten der Titanic.

Der Post und Telegrafendienst hat eine Gedenkplakette für John Richard Jago Smith in der Seamans Church in Mullions, St. Keverne, Cornwall aufhängen lassen.

Jago Smith ist ausserdem auf dem Familiengrab auf der St. Keverne Friedhof in Cornwall erwähnt.

James Bertram Williamson wird auf einer Plakette in der Abbey Presbyterian Church, Parnell Square in Dublin, Irland gedacht und John Starr March hat einen Gedenkstein und Grabstein auf dem Evergreen Friedhof, Hillside, New Jersey.

Diese stummen Zeugen erinnern noch Heute an die 5 Männer die mit der Titanic untergegangen sind.

© 2018 Thorsten Totzke