Europa
von Thorsten Totzke
Europa
Sammlung Thorsten Totzke
Es war eine Zeit, in der die großen Ozeanriesen eigentlich schon ausgestorben waren. Es war eine Zeit, in der die Hamburg Amerikanische Packetfahrt Actien Gesellschaft (Hapag) und der Norddeutsche Lloyd (NDL) sich noch Konkurrenz machten.
Der zweite Weltkrieg war beendet. Die Deutschen Reedereien standen vor dem Nichts.
Der NDL begann 1954 wieder mit der "Berlin" einen Liniendienst von Bremerhaven nach New York.
Buffett
Sammlung Thorsten Totzke
1959 wurde die Flotte erweitert durch die "Bremen" (ex "Pasteur").
Am 16.10.1965 wurde dann die "Kungsholm" von der Svenska Amerika Linjen für 34 Millionen Mark übernommen.
Sie war die ideale Ergänzung zur "Berlin" und zur "Bremen".
Nach einem Umbau beim Technischen Dienst des NDL war das Schiff bereit für seine zweite Jungfernreise von Bremerhaven nach New York.
In Norwegen
Sammlung Thorsten Totzke
Der Name, den man ausgesucht hatte, war genauso traditionsreich, wie die der beiden anderen Schiffe auf dieser Route. Das Schiff trug nun den Namen "EUROPA".
Allein für den schwarzen Außenanstrich des Rumpfes waren 2800 kg Farbe erforderlich. Der Zahlmeister wurde für die ersten Fahrten mit 175000 Blanko-Menükarten ausgerüstet.
Insgesamt wurden acht Tonnen Papier an Bord genommen für den Druck von Speisekarten, der Bordzeitung und Ähnlichem.
an Deck
Sammlung Thorsten Totzke
Am Sonntag, dem 9. Januar 1966 war der große Tag gekommen. Tausende von Zuschauern hatten sich in Bremerhaven eingefunden, um die Abfahrt der "Europa" zu beobachten.
Pünktlich um 12.00 Uhr gab Kapitän Carl Otto Efferoth das Kommando "Leinen Los" und um 12.05 Uhr begann das Schiff seine zweite Jungfernreise.
Die 61.US Army Band spielte "Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen" und das Marine Musikkorps Ostsee spielte "Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus"
Europa
Sammlung Thorsten Totzke
Wiedereinmal hatte ein großes NDL-Schiff seine "Maiden Voyage" in Bremerhaven begonnen.
Als die "Europa" am 18 Januar 1966 in New York eintraf, wurde sie stürmisch begrüßt. Als Vertreter für den New Yorker Bürgermeister kam Commissioner James O`Brian in einem Kutter dem Schiff entgegen.
Auch der deutsche Generalkonsul Klaus Curtius ließ es sich nicht nehmen, die neue "Europa" persönlich zu begrüßen.
in Norwegen
Sammlung Thorsten Totzke
Schon am Ambrose Feuerschiff in der Bucht von New York wurde die "Europa" von einer Unmenge von Fotografen und Presseleuten erwartet, die extra mit kleinen Kuttern rausgefahren waren.
Nachdem der Lotse und die Beamten des Gesundheits- und Immigrationsdienstes das Schiff betreten hatten, begann eine Triumphfahrt den Hudson hinauf.
Ein Hubschrauber flog knapp über den Aufbauten und ein Kameramann filmte das Schiff.
Rettungsbootübung
Sammlung Thorsten Totzke
Ein Flugzeug zog ein Transparent hinter sich her auf dem stand: "New York welcomes the new Europa". Feuerlöschboote sprühten ihre Wasserfontänen in die Luft und die vorbeifahrenden Schiffe ließen ihre Sirenen ertönen.
Nachdem die "Europa" die Freiheitsstatue passiert hatte und in den Hafen einlief, wurde sie auch von den im Hafen liegenden Schiffen mit lautem Getöse empfangen.
Europa und Hamburg liegen nebeneinander
Sammlung Thorsten Totzke
Nun übernahmen die Schlepper die Arbeit und bugsierten die "Europa" zum Kai 88, dem Pier des Norddeutschen Lloyd.
Kurz darauf setzten die ersten Passagiere ihren Fuß auf amerikanischen Boden. Ein großer Teil der Passagiere blieb an Bord, denn am 22 Januar begann die "Europa" die Jungfernkreuzfahrt zu den Antillen.
Es folgten insgesamt 7 Kreuzfahrten, bis die "Europa" Ende April ständig in den Nordatlantikdienst gestellt wurde.
Schiffspost
Sammlung Thorsten Totzke
Im Laufe der folgenden Jahre wurden die regulären Überfahrten immer weniger und die Kreuzfahrten immer mehr.
1969 bot die "Europa" nur noch 2 Überfahrten pro Jahr an, dafür aber umso mehr Kreuzfahrten.
Im Juni 1970 konnte das Schiff dann ein Jubiläum feiern: die 100ste Reise. Sie dauerte vom 9.-21. Juni und einschließlich dieser Reise hatte die Europa dann 412.930 sm oder gut 800.000 km hinter sich gebracht.
Das entspricht in etwa der Reise zum Mond und zurück.
Barsteward
Sammlung Thorsten Totzke
Am 1. September 1970 fusionierte der Norddeutsche Lloyd mit der Hamburg Amerikanischen Packetfahrt Actien Gesellschaft zur Hapag-Lloyd AG.
Der NDL brachte in diese Ehe auch seine Flaggschiffe "Bremen" und "Europa" mit ein.
Nachdem die Hapag-Lloyd AG sich von der "Bremen" getrennt hatte, war die Europa das einzige Passagierschiff im Dienste der Firma.
Europa
Sammlung Thorsten Totzke
Zu Beginn der Saison 1972 bekam das Schiff einen neuen Anstrich, welcher den alten traditionellen Lloyd Anstrich (schwarzer Rumpf, weiße Aufbauten, gelber Schornstein) ersetzte.
Von nun an präsentierte sich die "Europa" in einem strahlend weißen Gewand mit je einem durchgehendem blauen und orangefarbenen Streifen.
Die Schornsteine waren orange gestrichen wurden und mit dem Firmenlogo der Hapag-Lloyd AG versehen worden.
Galadinner
Sammlung Thorsten Totzke
Trotz des neuen Aussehens galt es einen zunehmend härter werdenden Kampf zu bestehen. Ursache war der immer schwächer werdende US Dollar. Die Kreuzfahrten wurden fast ausschließlich von Amerikanern gebucht, die natürlich in US Dollar bezahlten.
Jetzt gab es aber immer weniger Deutsche Mark für einen Dollar und die Ausgaben der Reederei waren größtenteils in DM zu tätigen.
Die Lösung für dieses Problem war für die Hapag-Lloyd simpel: Mit Beginn der Sommersaison 1973 wurden die Abfahrten von New York aus aufgegeben und das Schiff für immer auf den Kontinent verlegt, dessen Namen es trug.
an Deck
Sammlung Thorsten Totzke
Das Jahr 1974 brachte dann einen neuen Meilenstein in der Geschichte der Europa sie durfte ihren 100.000 Passagier befördern.
In diesem Jahr gab es auch noch eine ganz besondere Aktion. Als die Europa Ende August gen Süden steuerte, gab es für alle Paare, die bis zum 31.8.74 geheiratet haben, die 1974 ihre silberne oder goldene Hochzeit feiern konnten oder aber die mehr als 50 Jahre verheiratet waren, ein Sonderangebot: Nur der Bräutigam bezahlt, die Braut reist frei(willig) mit.
Die Reise begann am 31.8 in Hamburg führt über Plymouth, Lissabon, Funchal, Teneriffa und Tanger nach Genua.
Dort gab es ein zweites sensationelles Angebot: Wer zwischen dem 1. September und dem 31. Oktober Geburtstag hatte, durfte mit einer Person "freier Wahl", die kostenlos mitreiste, zu einer Orient-Levante Kreuzfahrt starten.
Es ging nach Malta, Ägypten, dem Libanon, Griechenland und Capri. Das Endziel war Genua.
an Deck
Sammlung Thorsten Totzke
Begeben wir uns jetzt im Gedanken einmal an Bord der MS Europa zur 14.Reise das Jahres 1975. Eine Norwegen-Spitzbergen-Kreuzfahrt mit folgendem Reiseverlauf:
Samstag | 02.08.1975 | 19.00 Uhr | Abfahrt von Bremerhaven |
Sonntag | 03.08.1975 | Erholung auf See | |
Montag | 04.08.1975 | 07.00 bis 11.30Uhr |
Balholm/Sognefjord |
Dienstag | 05.08.1975 | Erholung auf See | |
Mittwoch | 06.08.1975 | Erholung auf See | |
Donnerstag | 07.08.1975 | 07.00 - 12.30 Uhr 17.30 - 23.00 Uhr |
Hammerfest/Norwegen Skarsvag/Nordkap |
Freitag | 08.08.1975 | Erholung auf See | |
Samstag | 09.08.1975 | 12.00 Uhr 13.30 - 18.30 Uhr |
Tempelbucht/Sassenfjord Ekmanbucht/Nordfjord |
Sonntag | 10.08.1975 | 12.30 Uhr 13.30 - 18.30 Uhr 21.00 Uhr |
Ny Alesund/Kongsfjord Blomstrandhafen/Kongsfjord Regnardnesset/Möllerfjord |
Montag | 11.08.1975 | - 02.00 Uhr | Regnardnesset/Möllerfjord |
Dienstag | 12.08.1975 | Erholung auf See | |
Mittwoch | 13.08.1975 | 14.00 - 19.00 Uhr | Trondheim/Norwegen |
Donnerstag | 14.08.1975 | 08.00- 12.00 Uhr 14.00 - 19.00 Uhr |
Molden/Mollefjord Andalsnes/Romsdalsfjord |
Freitag | 15.08.1975 | 09.00 - 18.00 Uhr | Bergen/Norwegen |
Samstag | 16.08.1975 | Erholung auf See | |
Sonntag | 17.08.1975 | 09.00 Uhr | Ankunft in Bremerhaven |
Als Kapitän führte Hans Peter Klotzbach das Schiff auf dieser Fahrt. Der wichtigste Mann für die Passagiere war jedoch Ekkehard Lange, der leitende Zahlmeister der "Europa", der schon seit Jahren an Bord war. Für die Verpflegung der Passagiere war der Chef de Cuisine Walter Riepenhusen an Bord.
Äquator-Taufschein
Sammlung Thorsten Totzke
Sonntag, 03.08.1975, Der erste Tag auf See "Erholung auf See" stand im Reiseverlauf. Was unter diesen kleinen Satz zu verstehen ist, teilt uns das Bordprogramm mit.
07.30 - 09.30 Uhr | Das Frühstück im Speisesaal auf dem A-Deck serviert |
09.30 Uhr | Bouillon und Kaffe wird serviert |
10.15 Uhr | Bootsmanöver (Teilnahmepflicht für alle Passagiere) |
10.30 Uhr | Der Touristik-Manager stellte seine Mitarbeiter und das Schiff vor |
10.45 Uhr | kostenloser Tanzunterricht vom Tanzlehrer Dieter Maywald |
11.00 Uhr | Musikalischer Frühschoppen |
11.30 Uhr | Mittagessen - 1. Tischzeit |
12.30 Uhr | Mittagessen - 2. Tischzeit |
13.00 Uhr | Passagiere der 1.Tischzeit: Vortrag "West-Norwegens-Fjorde" von Fred Teegen (für Passagiere der 2.Tischzeit 16.45 Uhr) |
15.00 Uhr | Treffen der Karten- und Schachspieler bei Hostess Isolde Langebuch |
16.00 Uhr | Musik zur Kaffeestunde |
18.00 Uhr | Begrüßungscocktail - Kapitän Hans Peter Klotzbach lädt zum Cocktail und stellt seine Mitarbeiter vor |
18.30 Uhr | Willkommensessen - 1. Tischzeit |
19.30 Uhr | Musikalische Cocktailstunde - Hermann Hähner an der Orgel |
20.00 Uhr | Das B/R Trio, Harry Héks und seine Solisten bitten zum Tanz |
20.15 Uhr | Willkommenessen - 2. Tischzeit |
20.30 Uhr | Glückliche Reise - Willkommensball
Zum Tanz spielt das B/R-Trio unter Leitung von Harry Héks |
21.00 Uhr | Tausend Takte Tanzmusik mit dem Euro Quintett |
21.00 Uhr | Oft gespielt, gern gehört - Hermann Hähner an der Orgel |
22.00 Uhr | Glückliche Reise - Willkommensball
Zum Tanz spielt das Euro-Quintett unter Leitung von Wesselin Damjanov |
23.00 Uhr | Die "Night Club Taverne" erwartet die Nachtschwärmer
Das Horst Half Trio spielt zum Tanz |
23.00 Uhr | Nachtbuffet Vorschlag: Roastbeef und Beilagen |
Das nennt sich also "Erholung auf See". Nebenbei werden wir noch informiert, wo das Zahlmeisterbüro ist, wo die Bibliothek zu finden ist und wann sie geöffnet hat. Daß wir die Fahrstuhltüren schließen sollen und vieles mehr.
Natürlich werden wir auch informiert, daß wir an Bord Geld für den Norwegenbesuch tauschen können.
Für 49 DM bekommen wir 100 Norwegische Kronen. Wenn wir nachts etwas benötigen, können wir uns beruhigt an den Nachtservice wenden, den wir unter der Telefonnummer 382 erreichen.
Kapitänsdinner
Sammlung Thorsten Totzke
Interessant zu bemerken ist übrigens, daß auch auf der MS Europa der alte Brauch der Polartaufe vollzogen wird.
Hierbei werden Passagiere und Besatzungsmitglieder getauft, die den Polarkreis zum allerersten Mal überqueren. Nachdem man getauft wurde, erhält man eine Taufurkunde, die unterschrieben ist vom Kapitän und von Neptun persönlich unterschrieben ist.
Ab diesem Moment darf man den Polarkreis überqueren, wann man möchte.
Europa
Sammlung Thorsten Totzke
Bei einer 14tägigen Kreuzfahrt wie oben beschrieben, werden in der Küche, wenn 500 Passagiere an Bord sind, folgende Lebensmittel und Getränke benötigt und bereitgestellt:
Fleisch | 4250 Kg |
Wild und Geflügel | 1400 Kg |
Fisch | 2000 Kg |
Aufschnitt und Käse | 750 Kg |
Koch- und Räucherschinken | 400 Kg |
Eier | 20000 Stück |
Butter | 1000 Kg |
Joghurt | 1000 Stück |
Langusten, Hummer, Shrimps, Krabben usw. | 850 Kg |
Brötchen | 37500 Stück |
Das heißt, daß pro Person, die an Bord ist (inklusive Besatzung) jeden Tag alleine 3 Brötchen eingeplant sind.
Dinner
Sammlung Thorsten Totzke
Natürlich muß auch der Durst bei einer solchen Kreuzfahrt gestillt werden.
Hierfür werden an Bord genommen:
Fruchtsäfte | 1500 Liter |
Kaffee und Tee | 550 Kg |
Wein | 4750 Flaschen |
Sekt | 1100 Flaschen |
Spirituosen | 1250 Flaschen |
Bier vom Faß | 3300 Liter |
Flaschenbier | 5000 Flaschen |
1976 machte die Europa eine Fahrt durch den Suez-Kanal. 1977 ging es in Richtung Indien und 1978 gab es eine Reise rund um Südamerika - durch den Panamakanal um Feuerland herum und zurück in die Karibik.
in Norwegen
Sammlung Thorsten Totzke
1979 schließlich waren Reisen zu arabischen Häfen und nach Fernost der Hit.
Wie man sieht, gab sich die Hapag-Lloyd alle Mühe mit der "Europa" immer neue Wege und Länder zu erschließen.
Für die Unterhaltung an Bord wurden auch immer mehr oder weniger bekannte Künstler angagiert. Auf der Weihnachts- und Silvester Reise 1977/78 war zum Beispiel Anneliese Rothenberger an Bord.
Andere große Namen an Bord der Europa waren z.B.Vico Torriani, Heinz Schenk vom "Blauen Bock", Udo Jürgens und Ireen Sheer.
Shuttleservice
Sammlung Thorsten Totzke
Aber so wie alles Schöne einmal ein Ende hat, kam auch das Ende für die "Europa" irgendwann.
Im Oktober 1981 wurde die MS Europa verkauft an Costa Armatori SpA, Panama. Diese Firma benannte das Schiff um in "Columbus C".
Am 29.07.1984 kollidiert die "Columbus C" im Hafen von Cadiz mit der Außenmole. Dabei wurde an der Steuerbordseite des Schiffes der Rumpf aufgerissen.
Boarding
Sammlung Thorsten Totzke
Unmittelbar nach dieser Havarie bugsierten Schlepper die "Columbus C" an die Pier.
Nach der Überflutung des Maschinenraumes sank die "Columbus C" am Pier.
Am 14.9.1984 wird das Schiff zum Totalverlust erklärt und am 6. September 1985 traf es im Schlepp in Barcelona ein, um dort abgewrackt zu werden.
Heute existieren nur noch Andenken wie Fotos, Speisekarten und ähnliche Erinnerungsstücke von diesem schönen und denkwürdigen Schiff.
Aufkleber der Abschieds-Gala-Kreuzfahrt
Sammlung Thorsten Totzke