Britannic (II)
von Thorsten Totzke
Britannic
Sammlung Thorsten Totzke
Am Freitag, den 01. Dezember 1911 wurde bei der Belfaster Traditionswerft Harland & Wolff der Kiel für das dritte Schiff der Olympischen Klasse gelegt.
Nach der Olympic, die bereits seit einem halben Jahr in Dienst stand und der Titanic, die sich gerade in der Ausrüstung befand, sollte das neue Schiff nun den Namen Gigantic bekommen und die Olympische Klasse vervollständigen.
Gebaut wurde das Schiff mit der Baunummer 433 auf der gleichen Helling, auf der bereits die Olympic entstanden war.
Der Bau der Britannic gestaltete sich schwieriger als gedacht. Wahrscheinlich mußte bereits die Kiellegung verschoben werden durch die Reparaturen, die an der Olympic notwendig wurden, nachdem diese im September 1911 von dem Kreuzer Hawke gerammt worden war.
Die größte Verzögerung kam aber nach dem 15. April 1912. Nachdem das Schwesterschiff Titanic in den Fluten des Atlantik versunken war, wurde der Bau der Britannic erst einmal vollkommen gestoppt.
Man wollte abwarten, was für neue Auflagen sich durch diese Katastrophe ergeben würden.
In den nächsten Wochen hatte die Werft alle Hände voll zu tun damit, die Schiffe ihrer Kunden zu sichern gegen eine solche Katastrophe wie sie der Titanic zugestoßen war.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Besonders wichtig war dies natürlich bei der Olympic, die bis zum April 1913 umgebaut wurde.
Dadurch daß das neue Schiff sich noch in einem sehr frühen Baustadium befand, konnten natürlich viel grundlegendere Änderungen eingebracht werden als bei der Olympic.
Geplant wurden diese Änderungen von Chefdesigner Edward Wilding, dem Nachfolger des auf der Titanic ums Leben gekommenen Thomas Andrews.
Grundlegendste Änderung war, daß man das neue Schiff einen halben Meter breiter ausführte, um so eine doppelte Außenhaut zu realisieren ohne von den ursprünglichen Plänen allzuweit abweichen zu müßen.
Im Vergleich zur Titanic wurde bei der Britannic ein Schott mehr eingebaut, so daß diese in 17 wasserdichte Abteilungen zu unterteilen war.
Das zusätzliche Schott wurde, wie auch nachträglich bei der Olympic, im Dynamoraum errichtet.
Für alle Pumpen wurden Bedienventile ausreichend weit über der Wasserlinie eingebaut.
Durch diese Änderungen sollte die Britannic selbst dann noch schwimmfähig bleiben, wenn die vordersten sechs Abteilungen geflutet waren.
Eine weitere auffällige Änderung betraf die Rettungsboote. Insgesamt sollten 48 Boote auf dem Liner untergebracht werden. Hierzu installierte man einen völlig neuen Typ von Davits.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Diese Davits verfügten alle über elektrische Winden, so daß ein gleichmäßig schnelles Abfieren der Boote gewährleistet war.
Ausserdem war an jedem Davit ein Scheinwerfer angebracht worden.
Insgesamt wurden acht Paare dieses Davits aufgestellt. Je einer auf jeder Seite des ersten Schornsteins, je zwei auf jeder Seite des vierten Schornsteins und je einer auf jeder Seite des Achterdecks.
Dadurch wäre auch sichergestellt, daß die dritte Klasse Passagiere ihren eigenen Zugang zu den Booten hatten.
Die Davits waren so angelegt, daß sie im Notfall auch die Boote auf der anderen Seite des Bootsdecks aufnehmen konnten. Dies funktionierte allerdings nur bei drei Paaren, da den vordersten Davits hierzu der erste Schornstein im Weg stand.
Bei einem Notfall konnten die Passagiere so in das auf dem Bootsdeck stehende Rettungsboot einsteigen und wenn das Boot voll beladen war, konnte es dann zu Wasser gelassen werden.
Am 01. September 1912 gab die White Star Line dann offiziell den Namen des neuen Schiffes bekannt. Nun sollte es "Britannic" heißen.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Am Donnerstag, den 26. Februar war Lord William James Pirrie, der Geschäftsführer von Harland & Wolff bereits um 5 Uhr morgens auf dem Gelände der Werft erschienen und überwachte persönlich die letzten Vorbereitungen für den an diesem Tag geplanten Stapellauf der Britannic.
Die Bewohner von Belfast kamen wie immer zu Tausenden, um dem Ereigniss beizuwohnen. Die geladenen Gäste sowie die Pressevertreter hatten ihren Platz auf dem Dampfer SS Patriotic gefunden, den die White Star Line extra für diesen Anlass gechartert hatte.
Zu der Prominenz gehörten neben Lord und Lady Pirrie auch Harold Sanderson, der Bruce Ismay zwischenzeitlich als Geschäftsführer der White Star Line abgelöst hatte, sowie Kapitän Charles Bartlett, der das Kommando über den neuen Liner bekommen sollte.
Um 11:10 Uhr stieg eine Rakete auf und kündigte so den baldigen Stapellauf an. Nur 5 Minuten später um 11:15 Uhr wurde dann eine zweite Rakete in den Himmel gejagt und nun begann das Schiff seine kurze Reise in sein vorbestimmtes Element.
Nach 81 Sekunden brachten drei Anker und zwei Stapel Bremsketten das Schiff zum Halten und die Schlepper Herculaneum, Huskisson, Hornby, Alexandra und Hercules brachten das neue Schiff zum Ausrüstungskai, wo in den nächsten Monaten der Bau beendet werden sollte.
Die Gäste strömten nach dem Stapellauf zu den offiziellen Empfängen auf dem Werftgelände oder begaben sich in das Grand Central Hotel in der Stadt, wo ihnen ein Mittagsmahl serviert wurde.
Harold Sanderson mußte die Feier vorzeitig verlassen, um die Baltic für eine Reise nach New York zu erreichen.
Nachdem die stählernen Kessel im Mai 1914 ihren Weg in den Bauch des Schiffes gefunden hatten, wurde auch die Turbine eingebaut.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Dies war eine kleine Besonderheit, denn im Gegensatz zu den Turbinen der Olympic und der Titanic, die man bei der Werft John Brown & Co. am Clyde hatte fertigen lassen, war die Turbine der Britannic bei Harland & Wolff gefertigt worden.
Im September 1914 wurde die Britannic dann in das Trockendock gebracht, wo ihre Schrauben montiert wurden.
Zwischenzeitlich war der Erste Weltkrieg ausgebrochen und die Britannic wurde ebenso wie ihre Schwester Olympic ersteinmal in Belfast aufgelegt.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Am 13. November 1915 wurde die Britannic von der Royal Navy als Lazarettschiff requiriert. Nun wurde das Schiff in aller Eile fertiggestellt. Die wenigen bereits verbauten Inneneinrichtungen wurde wieder entfernt und eingelagert.
In vielen Räumen wurden nun Kojen für die Kranken und Verletzten eingebaut. Selbst auf den geschloßenenen Promenadendecks wurden Hängematten für die Leichtverletzten installiert.
Der Empfangsraum und der Speisesaal erster Klasse wurden zu Operationssälen und Intensivstation umgebaut.
Die medizinische Ausrüstung bestand auch aus Röntgenapparaten und zahn- und augenärztlichen Gegenständen.
Am Nikolaustag des Jahres 1915 wurde Berlin in einer Notiz darüber informiert, daß die Britannic nun ein Lazarettschiff war und zwei Tage später absolvierte G618 oder auch HMHS Britannic ihre Probefahrten unter dem Kommando von Kapitän J.B. Ransom.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Die Probefahrten dauerten wie schon bei der Titanic lediglich einen Tag und führten das Schiff wieder nach Belfast zurück, wo nun noch letzte Arbeiten erledigt wurden, bevor die Britannic am Samstag, den 11. Dezember ihre Geburtstätte mit Ziel Liverpool verließ.
In Liverpool, ihrem Heimathafen, angekommen, wurden in aller Eile medizinische Ausrüstung sowie Verpflegung an Bord gebracht und die Mannschaft angemustert.
Kapitän Ransom übergab am 14. Dezember das Kommando an Kapitän Charles Alfred Bartlett.
Am 23. Dezember 1915 begann die Jungfernreise des letzten Olympic-Class-Titanen der White Star Line. Die Britannic verließ um 12:20 Uhr den Hafen von Liverpool mit Ziel Neapel.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Dort traf sie 5 Tage später ein und nahm Kohle sowie Proviant auf, bevor sie einen Tag später den Hafen verließ.
Nur 2 Tage später erreichte sie ihr Ziel in Mudros, Griechenland. Hier wurden nun 3300 Verwundete an Bord gebracht und in den Kojen untergebracht.
Die gehfähigen Soldaten mußten ihre Uniform mit einem speziellen Bordanzug vertauschen.
Nur mit diesem blauen Anzug durften sie an Deck erscheinen. Diese Maßnahme war nötig, damit man keine uniformierten Soldaten an Deck sehen konnte.
Das wäre dem Feind sicherlich komisch vorgekommen und hätte eventuell Grund für einen Angriff sein können.
Am 03. Januar verließ die Britannic den Hafen und nahm Kurs auf Southampton. Während der Fahrt wurde am 05. Januar beobachtet, wie plötzlich ein Mann über Bord stürtzte. Wegen der Kriegslage war es Kapitän Bartlett nicht gestattet zu stoppen oder gar zu wenden.

Britannic kurz vor dem Stapellauf
Sammlung Thorsten Totzke
Später stellte man fest, daß es sich um ein Mitglied der Besatzung handelte.
Am 09. Januar erreichte die Britannic schließlich Southampton, wo sie ihre Jungfernfahrt beendete. Hier wurden die Verwundeten von Bord gebracht und das Schiff für seine nächste Reise gerüstet.
Am 20. Januar ging es wieder auf die Reise nach Neapel. Als der riesige Liner dort am 25. Januar anlegte, erhielt Kapitän Bartlett die Order, in Neapel zu bleiben und die Verwundeten von einigen anderen Lazarettschiffen zu übernehmen.
Diese Liegezeit wurde von einigen Prominenten genutzt, die das Schiff im Hafen von Neapel besichtigten. Den Anfang machte gleich am 25. Januar der Graf von Aosta und am 28. Januar besichtigte der amerikanische Botschafter Nelson Page mit Frau und Tochter den Mammutliner auf Einladung des britischen Konsulats. Schlußendlich traf tags darauf das amerikanische Schiff Des Moines ein, dessen Kapitän auf Wunsch des Konsuls zur Besichtigung eingeladen wurde.
Nachdem man insgesamt 2237 Patienen übernommen hatte. war die geplante Weiterfahrt nach Mudros natürlich hinfällig und so verließ die Britannic am 04. Fabruar Neapel mit Ziel Southampton.

Britannic Stapellauf
Sammlung Thorsten Totzke
Nach einer ruhigen Fahrt lief das Schiff am 09. Februar wieder in Southampton ein.
Hier blieb die Britannic nun die nächsten Wochen.
Zwischenzeitlich gab es zwischen England und Italien einen kleinen Streit.
Am 01. Februar hatte ein Vertreter des italienischen Gesundheitsamtes die Britannic in Neapel besichtigt. Kurz darauf sandten die Italiener eine Note an die britische Admiralität, in der diese aufgefordert wurde, wegen Seuchengefahr zukünftig keine Verwundeten mehr in Neapel zu verladen.
Diese Behauptung war natürlich nur vorgeschoben, da Italien zwar offiziell auf Seiten der Alliierten stand, allerdings 1914 in den sogenannten Dreierbund mit Deutschland und Österreich eingetreten war.
Auf der nächsten Fahrt fasste die Britannic daher wieder in Neapel Proviant, steuerte danach aber am 27. März 1916 den kleinen Hafen Augusta an, wo sie einen Tag später auf Reede vor Anker ging.
Da die Strände von Gallipoli nun evakuiert waren, ging die Nachfrage nach Transportraum stark zurück, so daß die Britannic nach ihrer Rückkehr in den Hafen von Southampton am 04. April und der darauffolgenden Entladung der Verwundeten am 12.April ersteinmal aufgelegt wurde.
In den folgenden Wochen ankerte das Schiff im Solent und wurde zeitweise als schwimmendes Krankenhaus genutzt, bevor es eine Fahrt nach Belfast zu ihrer Bauwerft antrat.

Britannic Stapellauf
Sammlung Thorsten Totzke
Am 18. Mai traf die Britannic in Belfast ein und wurde am 21. Mai offiziell aus dem Kriegsdienst entlassen.
Die Regierung zahlte der White Star lLne eine Entschädigung von 76000 britischen Pfund für die Zeit als Lazarettschiff.
Bereits am 06. Juni begannen Arbeiter von Harland & Wolff damit, das Schiff erneut für den Passagierdienst auf dem Nordatlantik herzurichten.
Aber auch diesesmal wurde nichts aus dem geplanten Luxusliner.
Nachdem sich die Kriegslage wieder verschärft hatte, merkte das Kriegsministerium, daß es ein Fehler war, den Liner aus dem Dienst zu entlassen.
Also wurde die Britannic erneut requiriert.
Am 28. August erreichte sie wieder den Hafen von Southampton und wurde erneut als Lazarettschiff in Dienst gestellt.
Am 09. September verließ sie den Hafen wieder und ankerte vor der kleinen Insel Cowes, wo nun auf weitere Befehle und die Anmusterung einer neuen Crew gewartet wurde.
Am 29. September um 17:40 Uhr lichtete der Liner erneut die Anker und nahm Kurs auf Neapel, wo wiederum Proviant gebunkert wurde, bevor vom 03. Oktober bis zum 05. Oktober Verwundete in Mudros übernommen wurde.
Am 11. Oktober lief man schließlich wieder in Southampton ein.
Am 20. Oktober trat die Britannic dann ihre fünfte Reise zum Kriegsschaulatz an.
Auf dieser Reise verlief alles nach dem mittlererweile Routine gewordenen Muster.
Nach dem Bunkern in Neapel erreichte man am 28. Oktober Mudros, wo man bis zum 30. Oktober Verwundete an Bord nahm, welche man bei der Ankunft in Southampton am 06. November auslud.
Die deutschen U-Boote waren auch im Mittelmeerraum aktiv. Ende Oktober 1916 legte U 73 unter dem Kommando von Kapitän Gustav Sieß im Kanal von Kea eine Minensperre. Er legte zwei Reihen von je sechs Ankertauminen aus. Diese Minen sanken zuerst auf den Meeresgrund, wo sie sich festsetzten. Nach einiger Zeit wurde durch das Seewasser eine Art Salztablette aufgelöst und eine Arretierung freigegeben. Nun löste sich der ovale Sprengkörper und stieg an einer Ankerkette befestigt in die Höhe und wartete dort auf ein Schiff.
Eine dieser Minen war es, die das Schicksal der Britannic besiegelte.
Am 12. November 1916 um 14:23 Uhr verließ die Britannic zum letzten Mal den Hafen von Southampton.
Als sie die Insel Cowes passierte, wurde das Schiff von dem berühmten Marinefotografen Frank Beken, bekannt als Beken of Cowes, fotografiert.
Nach dem gewohnten Zwischenstop in Neapel nahm das Schiff am 19. November wieder Kurs auf Mudros.
Doch dort sollte die Britannic diesmal nicht mehr ankommen. An Bord befanden sich auf dieser Reise 673 Mann Besatzung, 25 medizinische Offiziere, 75 Krankenschwestern und 392 Sanitäter und Krankenpfleger des Royal Army Medical Corps (RAMC).

Britannic in der Ausrüstung
Sammlung Thorsten Totzke
Dienstag, den 21. November 1916 begann mit einem herrlichen Sonnenaufgang, der einen sonnigen Tag versprach. Um acht Uhr ertönte der Frühstücksgong und das medizinische Personal folgte dem Ruf. Für die Krankenschwestern und die Offiziere diente der Raum als Messe, der in Friedenszeiten der Speisesaal der dritten Klasse geworden wäre.
Die Männer vom RAMC frühstückten in ihrem Kasino auf dem C-Deck. Auf der Brücke hatten Chief Officer Robert Hume und der 4. Offizier D. McTavish Dienst.
Kapitän Bartlett zog es vor, in diesen recht schwierigen Gewässern ebenfalls auf der Brücke anwesend zu sein.
Es war 8.12 Uhr als das Schiff urplötzlich von einer starken Detonation erschüttert wurde.
Kapitän Bartlett und seine Offiziere spürten, wie das Schiff unter einer gewaltigen und dennoch gedämpften Explosion für einige Sekunden auf seiner ganzen Länge heftig zitterte und vibrierte.
Sofort befahl Bartlett, die Maschinen zu stoppen und die wasserdichten Schotten zu schließen. Ausserdem wurde ein Funkruf abgesetzt mit dem Wortlaut
"SOS. Haben Minentreffer vor Point Nikola".
Die Deckscrew bekam die Anweisung, die Boote abzudecken, während man versuchte das Ausmaß des Schadens festzustellen. Krankenschwester Sheila Macbeth hatte an diesem Morgen etwas verschlafen und gerade erst zwei Löffel voll Porridge zu sich genommen, als die Mine detonierte.
Die Krankenschwester Violett Jessop hatte eine ganz eigene Beziehung zu den Schiffen der Olympic-Klasse. Sie war Stewardess auf der Olympic gewesen, als diese mit dem Kreuzer Hawke kollidierte und sie war eine der Stewardessen auf der unglücklichen Titanic gewesen.
Nun war sie gerade dabei, für eine im Hospital liegende Krankenschwester einen Frühstücksteller zusammenzustellen, als die Detonation erfolgte.
Sofort erhoben sich alle Menschen im Saal von ihren Plätzen und begaben sich auf ihre Posten.
Violett Jessop stand einen Moment wie angewurzelt mit einer Teekanne in der einen Hand und einer Portion Butter in der anderen da. Sie mußte an ihre noch gar nicht lange zurückliegenden Erlebnisse auf der Titanic denken und bemerkte besonders den Unterschied zwischen den beiden Situationen.

Britannic im Bau
Sammlung Thorsten Totzke
Auf der Titanic die angespannte Ruhe an Deck und hier das planmäßige Notfallverhalten der Menschen.
Dann besann sie sich, daß sie zu der Krankenschwester ins Hospital musste, um ihr beim Ankleiden zu helfen und in ein Rettungsboot zu bringen.
Die Explosion hatte auf der Steuerbordseite zwischen den Laderäumen 2 und 3 stattgefunden und das dortige wasserdichte Schott zerstört. Dadurch konnten diese beiden Abteilungen vollaufen. Doch dummerweise reichte die doppelte Aussenhaut nur bis zum vordersten Kesselraum Nr. 6, wodurch der Reservekohlenbunker im Frachtraum 3 der Explosion gegenüber offen stand.
Hier gab es nun eine Kohlenstaubexplosion, die nicht nur das Schott zwischen den beiden Laderäumen sondern auch das zwischen den Abteilungen 1 und 2 zerstörte. Das Schott zwischen Laderaum 3 und Kesselraum 6 blieb zwar heil, doch über einen Verbindungsgang zwischen den Kesselräumen und den Unterkünften der Heizer konnte das Wasser weiter vordringen. In diesem Gang standen während der Detonation die wasserdichten Türen offen, weil gerade Wachwechsel war.
So konnte auch der vorderste Kesselraum vollaufen, was bedeutete, daß die vordersten 5 Abteilungen geflutet wurden.
Nun schlug auch noch das Pech zu.

Britannic
Sammlung Thorsten Totzke
Aus irgendwelchen Gründen schloß sich die wasserdichte Tür zwischen den Kesselräumen 6 und 5 nicht richtig, so daß nun die vordersten 6 wasserdichten Abteilungen voll liefen. Normalerweise sollte das Schiff trotzdem schwimmfähig bleiben können.
Kapitän Bartlett wollte nun das Schiff auf die nur wenige Meilen entfernte Küste zusteuern und dort auf Grund setzten.
Hierzu mußte das Schiff gedreht werden, aber durch die zunehmende Schlagseite blockierte das Ruder. Daher mußte mit den Schrauben gewendet werden. Danach hieß es volle Kraft voraus.
Doch bereits nach kurzer Fahrt mußte Kapitän Bartlett einsehen, daß durch die Vorwärtsbewegung der Druck auf die Schotten nur noch verstärkt wurde und die Kammern schneller voll liefen.
Also stoppte er die Maschinen wieder und gab Befehl das Schiff zu evakuieren.
Noch während die Britannic in Fahrt war, wurden auf der Backbordseite, ohne das die Schiffsführung etwas davon wußte, zwei Boote abgefiert.
Beide Boote gerieten dann in die Sogwirkung für die die Schiffe der Olympic-Klasse hinreichend bekannt waren, und weil sich das Heck des Schiffes schon deutlich gehoben hatte, peitschten die riesigen Schrauben schon an die Oberfläche und zogen die Boote unermüdlich auf sich zu.
Ein paar Personen, darunter Violet Jessop sprangen noch rechtzeitig ab, bevor die Boote mitsamt den Insassen zerstückelt wurden.
Violett wurde vom Schraubensog zuerst unter Wasser gezogen. Sie kämpte sich zurück an die Oberfläche und stieß mit dem Kopf gegen ein Stück des zertrümmerten Bootes, wobei sie sich, wie erst Jahre später erkannt wurde, einen Schädelbruch zuzog.
Die Notrufe der Britannic wurden von mehreren Schiffen in der Nähe aufgefangen. Der britische Zerstörer Scourge war gerade dabei, die Bergung des bei der Insel Phleva aufgelaufenen griechichschen Dampfers Sparti zu organisieren, als er um 8.15 Uhr den Notruf empfing.

Modelle der ersten un zweiten Britannic
Sammlung Thorsten Totzke
Der kleine Zerstörer sammelte die beiden französischen Schlepper Goliath und Polyphemus sowie einen Trawler ein und begab sich dann mit ihnen auf dem Weg zu dem Liner.
Auf dem Weg zur Unglücksstelle informierte er noch den Zerstörer Foxhound.
Viel näher am Unglücksort befand sich der britische Hilfskreuzer Heroic, der um 8.28 Uhr den Notruf auffing.
Auf der Britannic war das Einbooten inzwischen in vollem Gange.
Der stellvertretende Kommandant des Schiffes, Kapitän Henry Dyke war mit der Überwachung der Bootsmannöver auf der Steuerbordseite betraut. Er sah, wie sich eine Gruppe von Heizern mit einem der Rettungsboote auf dem Achterdeck davonmachen wollte. Er rannte nach achtern und rief den Leuten zu umgehend zurückzukommen und im Wasser treibende Menschen aufzufischen.
Danach fuhr er fort, die Krankenschwestern einzubooten. Die Oberin Dowse bestieg erst ein Boot als die letzte ihrer Schwestern von Bord war.
Durch den abgesunkenen Bug des Schiffes gelangten nun die Bullaugen des E-Decks unter Wasser. Dies führte dazu, daß durch die teilweise geöffneten Bullaugen noch mehr Wasser in den Schiffsrumpf eindringen konnte und so dazu führte, daß die Britannic sank.
Wie schon auf der Titanic hatten auch auf der Britannic die Offiziere übersehen, genügend Seeleute in die Boote zu setzen. So mußten die Zivilisten in den Booten alleine zusehen, wie sie klar kamen. Die Krankenschwestern versorgten die Verletzten und verbanden sie zum Teil mit ihren in Streifen gerissenen Kitteln.
Kapitän Bartlett gab einen langgezogenen Ton mit dem Typhoon der Britannic, was gleichbedeutend mit dem Befehl "alle Mann aus dem Schiff" war.
Erst jetzt verließen die letzten Ingenieure den Maschineneraum und kletterten in einen Luftschacht, der in den blinden vierten Schornstein führte, nach oben.
Die Britannic legte sich weiter nach Steuerbord über, während der Bug immer tiefer sank. Als das Wasser die Brücke erreichte, ging Kapitän Bartlett über die rechte Brückennock ins Wasser und schwamm vom Schiff weg.
Die Abwärtsbewegung des Bugs wurde bereits in 110 m Tiefe durch den Grund gestoppt und das Schiffe rollte sich nun vollends auf die Seite.
Die Schornsteine brachen einer nach dem anderen weg und versanken im Meer, während im Schiffsinneren die letzten noch beheizten Kessel explodierten.
Um 9.07 Uhr schloß sich die See über dem Heck der HMHS Britannic.
Kapitän Bartlett konnte sich auf einem der zusammenlegbaren Rettungsboote in Sicherheit bringen und mußte von hier den Untegrang seines Schiffes beobachten.
Der Fischer Francesco Psilas war der erste, der am Unglücksort eintraf. Er konnte einige Offiziere rettten und wurde später von der britischen Admiralität, vertreten durch den Konsul von Syrien, mit 4 Pfund Sterling belohnt.
Etwa eine Stunde nach dem Untergang trafen die Heroic dichtgefolgt von der Scourge am Unfallort ein und nahmen die Insassen der Rettungsboote auf.
Aber nach zwei Stunden wurde der Platz langsam knapp. Gerade rechtzeitig kamen die HMS Foxhound und der Hilfskreuzer HMS Chasseur an und auch der leichte Kreuzer HMS Foresight erschien um Unglücksort.
Die Geretteten wurden in Piräus an verschiedenen Orten untergebracht bevor ab dem 24. November ihre Heimreise begann.
Einen Tag zuvor wurde der Verlust der Britannic offiziell bekannt gegeben.
Nicht ganz einen Monat später wurde die Registrierung der Britannic geschloßen.
Natürlich endete die Geschichte hier noch nicht ganz.
Nach dem Krieg ließ die White Star Line 1919 die für die Britannic bestimmte Inneneinrichtung meistbietent versteigern.
Als Ersatz für den Verlust der Britannic wurde ihr die Bismarck der Hapag zugesprochen. Das Schiff mußte bei Blohm & Voss in Hamburg fertiggestellt werden und wurde im April 1922 an die White Star Line übergeben.
Die Britannic geriet in ihrem nassen Grab in Vergessenheit.

Britannic Holz von der Grand Staircase
© Thorsten Totzke
Aus dieser Vergessenheit wurde sie 1975 durch den berühmten Meeresforscher Jaques-Yves Costeau befreit. Während einer Vermessungsfahrt im Auftrag der griechischen Tourismusbehörde gelang es ihm, am 04. Dezember 1975 von Bord seines Forschungsschiffes Calypso das Wrack der Britannic zu orten.
Das Wrack liegt in 110 m Wassertiefe. Im September 1976 kehrte Costeau mit der Calypso erneut zur Britannic zurück.
Mit Hilfe der von ihm konstruierten "Untertasse", einem Tauchboot, untersuchte er das Wrack, bevor er mit seinen Tauchern insgesamt 68 Tauchgänge am Wrack unternahm.
Auf der Calypso traf während der Tauchgänge ein Gast ein. Mit dem kleinen bordeigenen Helikopter wurde die damals 86 jährige Violet Macbeth Mitchell eingeflogen, die 1916 mit 26 Jahren als Krankenschwester den Untergang überlebt hatte.
Sie erhielt die einzigartige Gelegenheit, mit der "Untertasse" das Schiff zu besichtigen.
Als Abschiedsgeschenk erhielt sie dann von Costeau ein Stück der geborgenen Kohle.
Außer dieser Kohle wurde nur noch ein Sextant und der Messingreif vom Steuerrad an die Oberfläche gebracht. Ansonsten ist das Wrack der Britannic bis heute unberührt geblieben.
Nun verfiel das Wrack erneut für fast 20 Jahre in Vergessenheit. Erst im August 1995 wurde das Wrack erneut aufgesucht von niemand anderem als dem Entdecker des Wracks der Titanic, Robert Ballard. Er untersuchte das Wrack mit einem kleinen Tauchboot namens NR 1.

Seitenriss der Britannic
Sammlung Thorsten Totzke